Unter den Sternen von Rio by Ana Veloso

Autor:Ana Veloso
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783426413012
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-08-16T22:00:00+00:00

22

Eine Reise, dachte er. Eine Reise wäre jetzt genau das Richtige, um auf andere Gedanken zu kommen. Fort aus Rio, fort von all dem dummen Geschwätz und von Alice, dieser Verräterin, vor allem aber fort von Caro. An einem anderen Ort würden die Geschehnisse der vergangenen Wochen und Monate an Bedeutung verlieren, und zwar umso mehr, je weiter er sich entfernte. António wäre gern nach Paris gereist, es war die ideale Jahreszeit dafür. Im Mai war Europa wunderschön, die Bäume trugen wieder ihr Laubkleid, alles blühte, duftete und lebte, und die Menschen nahmen ebenfalls wieder Farbe an nach dem Grau in Grau des Winters. Doch seine Arbeit erforderte nicht gerade einen Ausflug nach Paris, und wenn er sich schon aufmachte, dann hätte er gern das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden.

Es gab zwei Ziele, die vom professionellen Gesichtspunkt aus sinnvoll gewesen wären: Argentinien und die Vereinigten Staaten. In Buenos Aires hatte er einen alten Freund, den er vielleicht als Geldgeber für den Transatlantikflug seines Favoriten João Ribeiro de Barros gewinnen konnte, wobei es fraglich war, ob ein Argentinier diesen Ruhm und Ehre versprechenden Flug einem Brasilianer gönnen würde. Außerdem war es kalt im Süden Südamerikas, keine sehr verlockende Aussicht also. Für eine Reise in die USA sprach zumindest das Wetter. Der Frühling war auch dort sehr schön, die Laune der ohnehin optimistischen Menschen war dann noch besser, und seine Chancen, einen Flugzeugkonstrukteur zu einer Kooperation zu bewegen, waren größer. Warum eigentlich nicht? Bei der Vorstellung, mit seinem Doppeldecker einen langen Flug zu unternehmen, der ihn über einige der schönsten Gebiete der Erde führen würde, hob sich Antónios Stimmung merklich. An der brasilianischen Atlantikküste entlang, über die Dünen Maranhãos bis zum Amazonasdelta, dann über die Dschungel Mittelamerikas bis zu den türkisen Gewässern der Karibik und von dort über die Florida-Keys – es wäre eine willkommene Ablenkung und eine herrliche Herausforderung, die ihn den Ärger und die Enttäuschungen der jüngsten Vergangenheit vergessen lassen würden.

Mit einem Mal spürte António wieder eine Begeisterung und Tatkraft in sich aufkommen, die er schon fast verloren geglaubt hatte. Er war viel zu lange untätig gewesen, hatte viel zu viel gegrübelt und sich selbst bemitleidet, hatte zu viele unnütze Briefe geschrieben und sich damit erniedrigt, hatte sich zu viel in Nachtclubs herumgetrieben und allzu oft versucht, sich seinen Kummer wegzutrinken. So ging das nicht weiter. Caro hin oder her – er musste wieder zu sich selbst finden, bevor er hoffen konnte, dass sie zu ihm fand. Ja, bereits die Vorfreude auf einen Ortswechsel und die Abwechslung belebten ihn, und die eigentliche Reise würde sein altes Selbst wieder zum Vorschein bringen.

Er machte sich unverzüglich an die Planung. Er schrieb reihenweise Briefe an alte Freunde und neue Förderer, an Behörden und an Einrichtungen der militärischen wie der zivilen Luftfahrt in aller Welt. Er besorgte sich Karten aller Regionen, die er überfliegen würde beziehungsweise in denen er zwischenlanden müsste. Er setzte sich in Verbindung mit den Botschaften aller Länder, die er auf seiner Reise passierte, damit sie ihm Visa und sonstige Genehmigungen erteilten, die vielleicht erforderlich wären, Zollbefreiungspapiere und Ähnliches.

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